Schlaf, Kindlein schlaf

Die Strapazen des Openair St. Gallen habe ich mittlerweile auskuriert und bin wieder im Alltag angekommen. Auch wenn die rekonvaleszente Phase bedeutend länger dauert als früher, habe ich mir das volle Programm gegönnt: Anstehen, Zelten und Feiern bis in die frühen Morgenstunden!

Wenn ich den Vergleich mit meinem Freundeskreis wage, kommen aber auch erste Zweifel auf. Denn viele übernachten bereits zu Hause oder erscheinen gar nicht erst am Festival. Sie haben mittlerweile andere Prioritäten und warten nur darauf, bis der erste Nachwuchs auf den Beinen steht – bei Eltern mit Fensterplatz im Sexualunterricht sind diese bereits auf dem Töffli. Was also mache ich als 30-Jähriger noch an einem Openair? Diese Frage stellte sich auch Jasmin, eine 20-jährige Studentin, welche mir beim Anstehen aus purer Freude die Fingernägel rot lackierte. Geht es nach ihr, gehöre ich nämlich bereits zum alten Eisen.

Ich brauche also stichhaltige Argumente, um auch im kommenden Jahr guten Gewissens mit Sack und Pack ins Sittertobel reisen zu dürfen. Glücklicherweise liegen diese auf der Hand. Denn wer schaut noch nach der Jugend, wenn ihr es euch seit Stunden auf euren Matratzen gemütlich macht? Wer ist Vorbild und zeigt, wie man den Schlamm in weissen Sneakers unbeschadet übersteht? Und wer informiert darüber, dass man auch mit dem Bezahlsystem Cashless sehr viel Geld ausgeben kann? Denn trügerischerweise bezieht sich der Begriff nicht auf die Kosten während des Festivals, sondern auf den Kontostand danach.

Es liegt also an mir, dem alten Herrn mit den rot lackierten Fingernägeln. Bis zur kommenden Ausgabe ist aber auch bei mir wieder Alltag angesagt. Wie es sich gehört für einen Künstler, besteht dieser hauptsächlich aus Ausschlafen und Chillen. Dank dem Sexualunterricht weiss ich: Wer die nötigen Vorkehrungen trifft, hat nur während des Openairs Schlafmangel und nicht auch neun Monate später. Danken könnt ihr mir später, denn im Gegensatz zu euch gehe ich jetzt erst mal schlafen.

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